Busso
Joachim von Alvensleben, geboren am 21. April 1898 zu Wittenmoor in
der Altmark, tritt bei Ausbruch des Krieges als Fahnenjunker im
Magdeburgischen Husarenregiment Nr. 10 ein als einer der jüngsten
Soldaten der Armee. Mit dem ersten Ersatztransport rückt er nach
kurzer Ausbildungszeit, vereint mit seinem Bruder Udo, Ende Oktober
1914 ins Feld nach Frankreich. Am 10. November 1914 geht es von
Mercatel aus zum erstenmal in die vordere Linie vor Arras. Mit der
Beförderung zum Offizier im April 1915 endet diese Periode, die er
noch ganz als Kind erlebt. Die Verantwortung für seine ihm
anvertrauten „Leutchen“, die er aufrichtig liebt, das
Bewusstsein der ihm übertragenen Pflichten erfüllen ihn nun ganz. Busso zählt um diese Zeit noch nicht 17 Jahre.
Als Führer
von Husarenzügen werden die Brüder nun dem Infanterieregiment 26
zugeteilt. Auf einer Reise mit dem Vater nach Flandern gehen ihnen
die Augen auf für die Schönheit, die geschichtliche und künstlerische
Bedeutung des Kriegsgebiets; die Phantasie ist auf das lebendigste
angeregt. Der Donner der Artillerieschlacht bedeutet Busso, wie er
oft ausspricht, die grauenvoll erhebende Orchesterbegleitung seines
Daseins, ein musikalisches Relief, von dem sich Handeln und
Empfindung, äußere wie geistige Erlebnisse „leicht und wie
schwebend“ abheben.
Kurz
darauf wird das Korps in die Lorettoschlacht hineingeworfen. Busso
verliert die liebsten der Kameraden. Gegen den Willen des
Husarenregiments gelingt es den Brüdern, ihre Kommandierung zum
Infanterieregiment 26 durchzusetzen. Busso übernimmt den Zug eines
gefallenen Freundes. Die Stellungen des Regiments nordwestlich Lens
bleiben ohne größere Kampfhandlungen bis zum Beginn der englischen
Offensive im September bei Loos. Das Infanterieregiment 26 deckt die
südliche Flanke des Einbruchs. Busso zeichnet sich als
Ordonnanzoffizier des Bataillonsstabes durch Überbringung wichtiger
Meldungen in schwerem Feuer besonders aus und erhält das Eiserne
Kreuz.
Wochenlang
bleiben die Kompanien ohne Ablösung in vorderer Linie. Nachts
halten die Brüder mit ihren Zügen den Kopf der Kohlenhalde von St.
Pierre besetzt, der später von den Engländern in die Luft
gesprengt wird.
Im
November 1915 fordert das Husarenregiment die Brüder zurück. Busso
tritt zur Schwadron nach Thumeries, Udo bleibt auf Wunsch des
Kommandeurs der 26er zurück. Damit ist die Zeit bei der Infanterie
abgeschlossen. Die Brüder sind in Zukunft getrennt.
Die
Schwadronszeit in Thumeries ist für Busso die ungünstigste des
Krieges. Die Freude an Dienst und Reiten hilft ihm wenig über das
trübe Bewusstsein hinweg, fern der Front ein tatenloses Leben führen
zu müssen. Seine Gesundheit ist durch ununterbrochenen Frontdienst
von mehr als einem Jahre so geschwächt, dass er im Januar 1916 auf
längere Zeit nach Deutschland geschickt wird. Im Schwarzwald erlebt
er den Frühling und kehrt hergestellt zu den Husaren zurück.
Die
Sommeschlacht bricht los. Das 4. Korps wird bei Bapaume eingesetzt.
Busso kommt mit seiner Schwadron zum 16. Korps in die Argonnen.
Hier in
Buzaney entscheidet er selbst sein Geschick. Dem unerträglichen
Bewusstsein, seine Pflicht als Soldat nicht erfüllen zu können,
wie es ihm vorschwebt, macht er ein Ende und wird Flieger. Die
Feldfliegerabteilung 2, zu der er kommandiert ist, wird an die Somme
geworfen. Noch ohne die vorschriftsmäßige Ausbildung macht er drei
Wochen nach seiner Kommandierung schon Feindflüge über der
Sommeschlacht und unterstützt die fechtende Truppe, unter der er
die 26er und Udo weiß, durch M.G.-Feuer aus der Luft.
Im
Oktober 1916 holt er den notwendigen Ausbildungskursus als
Beobachter beim Armeeflugpark in Tergnier nach, kehrt dann zur
Kampfstaffel 19 zurück, um während des Winters 1916/17 über dem
feindlichen Sommegebiet Bombenflüge zu machen.
Die
Zeiten als Husar und Infanterist waren die Vorbereitung. Der
Fliegerberuf bringt die Erfüllung, das Bewusstsein, sich
einzusetzen um seiner selbst willen.
„Der
Ernst des Lebens ist losgegangen.“
Vom
Januar bis Mai 1917 läßt sich Busso in Valenciennes als
Kampfflieger ausbilden und wird zur Jagdstaffel 4 kommandiert, die
zum Geschwader Richthofen gehört. Als jüngstes Glied dieser
„Elite von Adlern“ nimmt er bis zum Ende des Jahres an den Luftkämpfen
über der Flandernschlacht teil. „Jetzt endlich habe ich das Ziel
meiner Sehnsucht erreicht!“
Diese
Periode höchstgespannter Anforderungen, der vollen Entfaltung
seiner Kraft und Hingabe, ist seine große Zeit. Nordfrankreich und
Flandern, das Schlachtfeld zur Erde und in der Luft werden zur
„militärischen Heimat“. Der ritterliche Zweikampf in
schwindelnden Höhen, der den Waffen in der Tiefe versagt ist, das
Bewusstsein, Land und Meer, Himmel und Erde, den ganzen Krieg in
einem Blick zu umspannen, lösen lebendige Ströme, die er nicht müde
wird zu schildern. Ohne über den Sinn des Geschehens um ihn
hernachzudenken, sucht er nur seine höchste Bestimmung zu erfüllen.
Wie ein Nachtwandler geht er, nicht rechts, nicht links sehend,
seinen Weg durch Grauen und Tod.
Kloster
Marcke bei Kortryk, sein Quartier während dieser Sommer- und
Herbstmonate, ist gleichzeitig der „Rahmen“ eines Traumlebens
der Erinnerungen; denn immer häufiger kommen unter der Wucht
seelischer Erschütterungen die Worte „Sehnsucht“ und
„Einsamkeit“ vor. Um das Ende dieser Zeit findet er den Freund,
vom dem er sagen kann: „Er ist der, den ich mein Leben lang
gesucht habe.“ Es ist der Leutnant Carl Heinrich Hertz.
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Marcke im
September 1917.
Die Freunde Busso und Carl im Kreise ihrer Staffelkameraden
der Jagdstaffel 4. |
Nach
dem Kämpfen um Cambrai im November 1917 tritt Busso zur Jagdstaffel
21, die im Januar 1918 von Longwy nach Avancon in der Champagne
zieht. Hier stellt er fest, dass er schon über 200 Feindflüge
hinter sich hat.
Ein
Ohrenleiden fesselt ihn in dem Augenblick, als der Durchbruch im
Westen erfolgt, ans Lazarett. Den kaum Wiederhergestellten trifft
der schwerste Schlag, der Tod des Freundes Carl Heinrich Hertz.
In den
wenigen Wochen, die ihm noch bestimmt sind, geht die letzte
entscheidende Wandlung in ihm vor. Während der Marneoffensive Ende
Mai 1918 hat Bussos Staffel, mit starken deutschen Luftstreitkräften
vereint, schwere Gefechte gegen französische, englische,
amerikanische Geschwader zu bestehen. In diesen letzten siegreichen
Kämpfen trifft ihn unmittelbar vor dem deutschen Zusammenbruch der
Tod.
Am
14.06.1918 schießt er über Villers-Cotterets einen feindlichen
Fesselballon ab, wird darauf im Luftkampf durch Maschinengewehrfeuer
verwundet und zur Landung jenseits der feindlichen Linien gezwungen.
Fast vier Wochen lang bleibt sein Schicksal ungewiß und die
Hoffnung auf seine Rückkehr lebendig. Dann trifft vom Roten Kreuz
die Nachricht ein, dass er am 15. Juni in einem französischen
Lazarett zu Crepy-en-Valois seinen Verwundungen erlegen ist.
"Er
war ein Menschen- und Tierfreund," schreibt einer von Bussos
Mannschaften nach seinem Tode, "überall, wo er hinkam, wurde
er befreundet, weil er ein so sonniges Wesen hatte. Mir hat er oft
das Leben leichter gemacht, und ich liebte ihn wie meinen Bruder.
Nun ist mir alle Lust vergangen."
Wir
haben ihn nicht vergessen.
Der Verfasser
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